Nach dem letztjährigen Jubiläumsfest „25 Jahre Erika-Mann-Grundschule, ein Fest zur Namensgebung“ fand auch in diesem Jahr wieder ein großes Festival der Erika-Mann-Grundschule in den Uferstudios Berlin statt. Wie auch in 2024 gelang im Mai erneut der Versuch, die unterschiedlichen Künste und die jeweiligen Akteur*innen miteinander in Verbindung zu bringen: Aufführungen, die eher den zeitgenössischen Tanz oder eher das Theaterspiel im Fokus hielten, wechselten sich während der vier Präsentationsmodule ab.
Die Sparten Musik und Film waren ebenfalls vertreten: Während die Schüler*innenpräsentationen mit dem Video zum Song „Zeig Respekt!“ eröffnet wurden, starteten die Familienvorführungen mit dem Film: „Die Schule ist meine Schule – Kulturelle Bildung wirkt!“.
Mit unserem 5. Modul, dem Modul ERIKA, feierten wir am 23.05.2025 die Demokratie! Mit „Erika ufert aus“, dem neuen Tanzstück unserer Schultanzgemeinschaft, entwickelt in Kooperation mit TanzZeit, dem Film „Die Schule ist meine Schule“ – Kulturelle Bildung wirkt!, der anlässlich des Jubiläumsfestes im Jahr 2024 entstanden ist, und einer Podiumsdiskussion zum Thema „Demokratie braucht Kulturelle Bildung“ mit Jan Krebs von Gesicht Zeigen! und weiteren Gästen.
An diesem Abend wurde auch das von Babette Ponndorf aus dem Fachbereich Kunst kuratierte Galerieband im Studio 13 eröffnet und schließlich fand parallel zu den Auftritten am 24.05.2025 ein begleitendes Hoffest statt.
Erika Mann ist Inspiration für die Schule
Bei all diesen Aktivitäten lässt sich die Schule durch ihre Namensgeberin ERIKA MANN inspirieren. Erika Mann, die Schauspielerin und Schriftstellerin, steht für das künstlerische Profil. Erika Mann, die politische Rednerin, Kabarettistin und Netzwerkerin, steht für Austauschformate wie das oben bereits erwähnte Modul ERIKA. Denn: „…Demokratie ist mehr als eine Regierungsform; sie ist in erster Linie eine Form des Zusammenlebens, der gemeinsamen und miteinander geteilten Erfahrung“, sagte bereits der Pädagoge und Philosoph John Dewey am Ende des 19. Jahrhunderts. Diese gemeinsame und miteinander geteilte Erfahrung kommentieren Kinder einer 4. Klasse nach einem gelungenen Tanz-Projekt übrigens so: wir haben das zusammen geschafft – wir sind mehr in einer Einheit – wir wurden aufgelockert und halten mehr zusammen und sind irgendwie befreundeter – wenn alle mitmachen und Freude dabei haben – dass wir zusammen das Stück gemacht haben! Auch sie nehmen wahr, dass dem Zusammensein und der gemeinsam geteilten Erfahrung eine besondere Bedeutung zukommt. Dazu passt, dass die Soziologin Eva Illouz es für überaus wichtig hält, das dritte Motto der Französischen Revolution, die Brüderlichkeit, zu stärken. Sie betont, wie wichtig die Tatsache ist, dass ich mich jemanden nah fühlen kann, auch ohne die Person genau zu kennen, dass ich mich diesem Menschen und dessen Leben verpflichtet fühle. Ähnlich wie Dewey geht sie davon aus, dass es keine Demokratie geben kann, ohne das Gefühl der Brüderlichkeit zu kultivieren. Diese Gedanken lassen sich gut mit dem verbinden, was wir regelmäßig im schulischen Alltag und mit einem besonderen Fokus beim Modul ERIKA versuchen: Die Demokratie stärken. Dabei kamen unsere langjährigen Kooperationspartner auf dem Podium miteinander ins Gespräch: Jan Krebs von Gesicht Zeigen!, der mit einem Impuls „Demokratie braucht Kulturelle Bildung!“ eröffnete, Claudia Ehgartner vom Hamburger Bahnhof, Sabine Kolbe von ErzählZeit, Anke Dietrich vom Kinderschutzbund und Dr. Bastienne Schulz von der Freien Universität Berlin. Konzipiert wurde der Abend von Nanine Schulz, der Kulturbeauftragten der Schule, mit Unterstützung von Dagmar Lunow, Leitung Fachbereich Theater, und Anne Krause, Kulturagentin für kreative Schulen Berlin, die den Austausch zusammen mit Nanine Schulz moderierte. Jan Krebs stellte in seinem Impuls gleich zu Beginn klar, dass Demokratieerziehung nicht das 27. Fach in der Schule sei und nicht einfach nur „nice to have“. Vielmehr sei sie essentiell und deswegen auch im Schulgesetz des Landes Berlin,§ 1 verankert: „… Ziel muss die Heranbildung von Persönlichkeiten sein, welche fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus und allen anderen zur Gewaltherrschaft strebenden politischen Lehren entschieden entgegenzutreten sowie das staatliche und gesell-schaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie, des Friedens, der Freiheit, der Menschenwürde, der Gleichstellung der Geschlechter und im Einklang mit Natur und Umwelt zu gestalten (…) Diese Persönlichkeiten müssen sich der Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit bewusst sein, und ihre Haltung muss bestimmt werden von der Anerkennung der Gleichberechtigung aller Menschen, von der Achtung vor jeder ehrlichen Überzeugung und von der Anerkennung der Notwendigkeit einer fortschrittlichen Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse sowie einer friedlichen Verständigung der Völker. Dabei sollen die Antike, das Christentum sowie weitere Weltreligionen und Weltanschauungen und die für die Entwicklung zum Humanismus, zur Freiheit und zur Demokratie wesentlichen gesellschaftlichen Bewegungen ihren Platz finden.“ Das klinge zum Teil etwas altertümlich, kommentierte Jan Krebs, weil es tatsächlich alt sei: Der Text ist von 1947, ab 1948 trat er in Kraft.
Biografin von Erika Mann unter den Anwesenden
Irmela von der Lühe, die an dem Abend ebenfalls anwesende Biografin Erika Manns, teilt mit den Anwesenden, dass sie zwischenzeitlich überholt geglaubte Texte von Erika Mann, die sie in den 1980er- und 1990er Jahren las, heute für aktueller denn je einschätze. Sie zitierte aus dem Lügenprinzen von Erika Mann: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, wer immer lügt, dem wird man glauben.“
Erika Mann setzte sich gegen den Nationalismus ein. Da passt es gut, dass wir eine Schule sind, die mehr als 20 Nationen unter einem Dach vereint. Hilfreich ist es, wenn wir es schaffen, über Ländergrenzen hinaus das Verbindende, weniger das Trennende zwischen uns wahrzunehmen und die Unterschiede zwischen uns als Bereicherung anzuerkennen. Das gelingt regelmäßig an unserer Schule und wir können die Schönheit der Unterschiedlichkeit wahrnehmen und sind so weltoffen, wie es Erika Mann sich damals vielleicht gewünscht hätte.
„Erika Mann würde das alles sehr gefallen und es ist unbedingt in ihrem Sinne!“
Irmela v.d. Lühe ist sich sicher: „Erika Mann würde das alles sehr gefallen und es ist unbedingt in ihrem Sinne!“ Welche Bedeutung dieser Weltoffenheit zukommt in herausfordernden Zeiten wie diesen, betonen alle beteiligten Podiumsgäste. Claudia Ehgartner vom Hamburger Bahnhof z. B. berichtet von der Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes und einem Austausch der Museumsvertreter*innen über zunehmende politische Einflussnahme auf Ausstellungsthemen und Sprachgebrauch. Dabei kann gerade die Auseinander-setzung mit zeitgenössischer Kunst uns dabei helfen, den Umgang mit Uneindeutigkeiten einzuüben. Unsere Welt verändert sich ständig. Das erfordert einen flexiblen und authentischen Umgang mit diesem Wandel. Wenn wir uns beteiligen und Verantwortung übernehmen, fühlen wir uns zugehörig und ermächtigt, im Kleinen das Große mitzugestalten – auf der Bühne oder im echten Leben.
Und damit wir alle mitbestimmen können, brauchen wir kreative Lösungen und ebensolche Politiker*innen, die dazu in der Lage sind, out of the box zu denken. Davon berichtet Anke Dietrich vom Kinderschutzbund Berlin. Sie ist auch im Netzwerk für frühkindliche Kulturelle Bildung engagiert und betont die Wichtigkeit kreativer Ausdrucksformen im Heranwachsen, damit sich Kinder mit ihren Wünschen einbringen und beteiligen können, ist es hilfreich, wenn sie ihre Stimme im Theaterspiel einzusetzen lernen. Dann können sie „inwändig und nicht nur auswendig“ ihre Anliegen vertreten, was Sabine Kolbe von Erzähl-Zeit eindringlich propagiert.
Ehemalige Schüler*innen der EMG, die die Podiumsdiskussion aus ihrer Perspektive kommentierten, sind sich einig, dass das Theaterspiel eine gute Vorbereitung auf das demokratische Miteinander im späteren Leben darstellt.
„Für mich ist Tanz, nicht in sich so zuzugehen, sondern offen zu bleiben“, zitiert Dr. Bastienne Schulz von der Freien Universität Berlin, Tandem Tanz und Schule, einen Schüler der EMG und liest darin, dass Tanz und Kulturelle Bildung neue Sichtweisen eröffnet. Sie konstatiert: „Kulturelle Bildung vermittelt demokratiestärkende Werte wie Toleranz, Verant-wortungsbewusstsein und gemeinschaftliches Schaffen und Mitgestalten und all das mit sichtbar viel Freude. Und deshalb braucht die Demokratie Kulturelle Bildung unbedingt!“
In diesem Sinne sehen wir uns spätestens im nächsten Jahr zum dritten Modul ERIKA und den kreativen Festivals der Erika-Mann-Grundschule in den Uferstudios und in der Schaubude wieder, bleiben im Gespräch und setzen uns füreinander ein.
Nanine Schulz, Kulturbeauftragte der EMG